Menschen in Siegerland und Wittgenstein besser verbinden
Eine Initiative von Unternehmen und Arbeitnehmern

Route 57 als eines von drei NRW-Projekten nachträglich in den vordringlichen Bedarf: Unternehmens­vertreter, Betriebsräte und Abgeordnete im Gespräch mit Oliver Wittke MdB

Es sind wohl nur sehr wenige Verkehrsprojekte, für die eine Chance besteht, auf politischem Wege nachträglich in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplanes gehoben zu werden. Dies ist Voraussetzung dafür, dass sie in absehbarer Zeit tatsächlich verwirklicht werden. Die nordrhein-westfälischen Vertreter der CDU im Bundesverkehrsausschuss hätten sich auf drei Projekte verständigt, für deren Aufnahme in den vordringlichen Bedarf sie kämpfen wollen, betonte Oliver Wittke: „Die Route 57 gehört dazu!“. Der Bundestagsabgeordnete und ehemalige NRW-Verkehrsminister war der Einladung der Industrie- und Handelskammer Siegen (IHK) zu einem verkehrspolitischen Gespräch mit Unternehmern, Betriebsräten, dem DGB und den heimischen Abgeordneten nach Wittgenstein bei der BSW Berleburger Schaumstoffwerk GmbH gefolgt. Vor Ort vermittelte Wittke Zuversicht: Er halte es für „gut machbar“, dass die Ortsumgehungskette, die ja im bestehenden Bundesverkehrswegeplan enthalten ist, am Ende auch in dessen Fortschreibung wieder berücksichtigt werde, auch wenn der Entwurf bislang etwas anderes sage.

Die mehr als 30 anwesenden Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter machten deutlich, wie unzufrieden sie sind: Wittgenstein werde „verkehrspolitisch abgehängt“. Bad Berleburg sei die landesweit am weitesten von der Autobahn entfernt liegende Stadt. „Wenn sich an der Verkehrsanbindung nichts ändert, werden Betriebe Wittgenstein ganz oder teilweise verlassen. Die Unternehmen suchen Erweiterungsoptionen außerhalb der Region“, unterstrich Gastgeber Dirk Pöppel, geschäftsführender Gesellschafter der BSW Berleburger Schaumstoffwerk GmbH.

„Kein zukünftiges Drohszenario, sondern eine Entwicklung, die bereits seit einigen Jahren stattfindet“, erläuterte IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener. Wie wichtig eine gute Erreichbarkeit über die Straße für Fachkräfte ist, verdeutlichte Claudia Bikar, BIKAR Metalle GmbH: „Unsere Landschaft ist attraktiv, aber nur, wenn sie gleichzeitig gut erreichbar ist! Für die Gewinnung von Fachkräften ist mangelnde Erreichbarkeit fast ein k.o.-Kriterium!“ Fast 400 Beschäftigte zähle das Unternehmen. Die Hälfte arbeite inzwischen an einem Standort außerhalb Nordrhein-Westfalens. „Hätten wir diese Verkehrsprobleme nicht, könnten diese Mitarbeiter auch hier arbeiten!“

Etwa 550 Mitarbeiter beschäftigt die Erndtebrücker Eisenwerk GmbH & Co. KG an ihrem Stammsitz, den etwa 100.000 Tonnen Stahl in Form von Rohren verlassen. „Im abgelaufenen Geschäftsjahr mussten wir bereits die Produktion von 20.000 Tonnen nach Cuxhaven auslagern. Die schlechten verkehrlichen Rahmenbedingungen, insbesondere für Schwertransporte, haben hierbei eine Rolle gespielt.“, wusste Logistikleiter Ingo Roth zu berichten. Erst vor kurzem hatte das Unternehmen den neuen Produktionsstandort in Cuxhaven in Betrieb genommen.

Eckehard Hof, Geschäftsführer der Berge Bau GmbH & Co. KG, hob die Folgen der langen Anfahrtswege nach Siegen hervor: „Dadurch entstehen vergleichsweise hohe Kosten, die uns im Wettbewerb deutlich benachteiligen!“ Man sei stolz darauf, mit vielen Zulieferern und anderen Betrieben aus der Region zusammenzuarbeiten, unterstrich Ralph Helsper von der SMS Group GmbH. Auch diese Partner litten unter der miserablen Verkehrsverbindung, die Produktionsprozesse nachhaltig behindere und den Mitarbeitern das Leben schwer mache: „Wir wollen, dass unsere Kinder und Enkel hier noch leben und arbeiten können!“

„Rund 80 LKW verlassen tagtäglich das Berleburger EJOT-Logistikzentrum“, berichtete Winfried Schwarz, Geschäftsführer der EJOT GmbH & Co. KG. „Etwa die Hälfte von ihnen befährt anschließend die B62/B508 und würde daher von der Route 57 profitieren.“ Außerdem brauche das Unternehmen Fachkräfte auch aus dem Siegerland, aber für die meisten sei der Fahrweg einfach zu weit. „Täglich zwei Stunden Fahrzeit zusätzlich zur Arbeitszeit, das verschlechtert die Lebensqualität so sehr, dass sich viele überlegen, ob sie das in Kauf nehmen sollen“, ergänzte EJOT-Betriebsratsvorsitzender Klaus-Dieter Zissel.

Gravierende Probleme ergeben sich nicht nur für Industrie und Beschäftigte, sondern etwa auch für die Wittgensteiner Krankenhäuser. Ute Sucherlan, Vorsitzende des Betriebsrates der Helios Kliniken GmbH: „Für Patienten ist es abschreckend, wenn sie in Köln eine neue Hüfte erhalten haben und anschließend über zwei Stunden Fahrt nach Bad Berleburg auf sich nehmen müssen.“ Gleiches gelte für die Angehörigen, die einen Besuch abstatten möchten. Derzeit seien rund 800 Mitarbeiter an den Standorten in Wittgenstein beschäftigt. Viele interessierte Fachkräfte erteilten inzwischen Absagen wegen der Verkehrsanbindung, so Sucherlan.

Auch die Auswirkungen auf die Umwelt wurden thematisiert: Eigene Berechnungen hätten gezeigt, dass die Verwirklichung der Route 57 Jahr für Jahr zur erheblichen Verringerung des CO2-Ausstoßes und zur Einsparung von mehreren hundert tausend Litern Treibstoff beitragen würde, so Dirk Pöppel: „Anders ausgedrückt: Die ökologische Verweigerungshaltung einiger Weniger führt zu deutlichen Belastungen der Umwelt!“

Nachdem man die Planungen für die Weiterführung der A4 und die Ferndorf-Eder-Lahn-Straße aufgegeben hätte, werde trotz der erschlagenden Zahl an Argumenten von interessierter Seite versucht, die dringend notwendige Ortsumgehungskette zu verhindern, so der Tenor. Die Region habe sich mit Blick auf den Bundesverkehrswegeplan auf eine wesentliche Forderung konzentriert und hierfür eine „Koalition der Vernunft“ gebildet. „Damit ist der Boden bereitet, in Berlin eine Verständigung zu erreichen“, so Klaus Gräbener.
Wittke ließ keinen Zweifel: „Hier muss politisch nachgebessert werden. Wittgenstein braucht eine leistungsfähige Anbindung an die Autobahn. Das hat auch die Bevölkerung verdient, die in den Ortslagen lebt und tagtäglich den erheblichen Belastungen ausgesetzt ist!“ Allerdings müsse anschließend auch das Land dabei helfen, dass zügig geplant wird.

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