Südumgehung Kreuztal: Interview mit Ingo Degenhardt und Helmut Six
Die Südumgehung Kreuztal ist erneut ins Stocken geraten. Das OVG Münster hat den Planfeststellungsbeschluss für „rechtswidrig“ und „nicht vollziehbar“ erklärt. Damit hat sich die Hoffnung vieler Menschen auf einen baldigen Baustart erst einmal zerschlagen – nicht nur in Kreuztal. Ein Gespräch mit Ingo Degenhardt, stv. Vorsitzender von Route 57 e.V., und Helmut Six, Vorsitzender der Bürgerinitiative Weniger-Lärm-B508- B62.
Welche Bedeutung hat das Urteil für die Route 57?
Ingo Degenhardt: Mit Blick auf die Südumgehung geht es um eine Detailfrage, die für das Gericht nicht hinreichend geklärt war. Die Frage nämlich, ob die für den Straßenbau erforderlichen naturschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahmen an anderer Stelle durchgeführt werden können. Es handelt sich um einen planerischen Teilaspekt, der geheilt werden kann. Die Südumgehung an sich wird hierdurch nicht in Frage gestellt. Schlecht ist nach unserer Beobachtung die Signalwirkung in der Öffentlichkeit. Die Südumgehung ist für viele der bauliche Einstieg in die spätere Route 57. Jede Verzögerung hier gibt einen Vorgeschmack auf das, was uns in den anderen Abschnitten erwarten kann. Das macht viele Menschen, die auf die Ortsumgehungskette hoffen, mürbe.
Weshalb dauert es so lange, bis der erste Bagger rollt?
Ingo Degenhardt: Wir beobachten ja bei allen möglichen Infrastrukturprojekten, dass der Weg von der Planung bis zur Umsetzung viel zu lang ist. Die Gründe sind vielfältig. Das hat mit immer komplexeren planerischen Vorgaben, insbesondere naturschutzfachlicher Art, zu tun, aber etwa auch mit umfangreichen öffentlichen Beteiligungsprozessen. Bürokratische und rechtliche Möglichkeiten, Prozesse auszubremsen bzw. ins Stocken zu bringen, gibt es viele. Auf diese Weise verzögern sich beispielsweise Planungen so lange, dass zwischenzeitlich wieder neue naturschutzfachliche Untersuchungen durchgeführt werden müssen. Man bewegt sich im Kreis.
Was bedeutet das für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Unternehmen?
Ingo Degenhardt: Viele Menschen pendeln tagtäglich zu ihrem Arbeitsplatz. Sie müssen sich durch die Ortslagen, insbesondere im Ferndorftal, quälen. Gerade jetzt mit den zusätzlichen Baumaßnahmen im Zuge der B508 ist das eine enorme Belastung. Sie haben schon Stress, bevor sie die Arbeitsstelle erreichen. Und nach der Arbeit beginnt die Odyssee zurück. Das Familienleben leidet, die Kinder sind sauer, weil Mama oder Papa schon wieder so spät daheim sind. In diesem Punkt ist die Verkehrsverbindung ein wichtiges Element der Lebensqualität vor Ort für Alt und Jung. Die Menschen wollen hier ja nicht nur auch in Zukunft Arbeit finden, sie wollen hier auch leben und zwar gut. Ja, dazu gehört eine naturnahe Landschaft. Aber das ist doch bei weitem nicht das einzige, was unser Leben ausmacht. Und vergessen wir nicht: Fahrzeit ist auch Lebenszeit!
Wie haben die Anlieger der Ortsdurchfahrten das Urteil aufgenommen?
Helmut Six: Alles andere als gut. Die Botschaft, die bei Ihnen ankommt ist: Ihr zählt nicht. Ihr könnt weiter warten. Das ist frustrierend. Dabei war der vermeintlich nahe Baubeginn der Südumgehung ein Hoffnungsschimmer, dass es zumindest für einen Teil der Anwohner absehbar zu einer Verbesserung kommt. Inmitten des waldreichsten Kreises der Republik fühlen sie sich mit dem ganzen Lärm, den Abgasen und den Unfallgefahren tagtäglich wie in einer Millionenstadt. Um es klar zu sagen: Das macht Menschen krank. Es führt nicht nur zu organischen Beschwerden, sondern auch zu ernstzunehmenden und dauerhaften psychischen Belastungen.
Nimmt die Politik die Betroffenen ernst?
Helmut Six: Ich denke schon. Da ist der Bundestagsabgeordnete, der auf uns verweist, der Bürgermeister, der mit uns spricht, das Ratsmitglied, das sich erkundigt. Das Problem ist ein systemisches. Überspitzt gesagt: Immer, wenn ein Grashalm Gefahr läuft, geknickt zu werden, werden Gutachten erstellt und Experten aus dem ganzen Land gehört. Der Straßenbau wartet so lange, bis der letzte Regenwurm gezählt wurde. Dass die Menschen unter jeder Minute, die sich ein Bau verzögert, leiden, findet viel zu wenig Beachtung. Der Eindruck, der sich längst breit gemacht hat, ist: Der Mensch ist weniger wert als die Schlingnatter!
Wie wird Route 57 jetzt weiter vorgehen?
Ingo Degenhardt: Wir werden weiter Druck machen. Es ist bedauerlich, dass Gegner der Route 57 sogar vor haltlosen Unterstellungen und Halbwahrheiten nicht zurückschrecken, wie wir erst kürzlich beobachten mussten. Hier werden wir Information und Aufklärung entgegensetzen. Vor allem werden wir immer wieder deutlich machen, dass die Mehrheit der Menschen in der Region hinter der Route 57 steht und die Ortsumgehungskette aus guten Gründen will.